Sonderwaffenlager für nukleare Gefechtsköpfe bei Stolzenhain

Bunkertyp | : | Typenprojekt T-71 |
Etagen | : | 1 (2) |
Fotoaufnahmen | : | 2009 |
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Inhalt:
1. Entstehungsgeschichte des Objektes
Im Süden Brandenburgs, nahe der Ortschaft Stolzenhain, befindet sich ein ehemaliges Lager für nukleare Gefechtsköpfe für operativ-taktische Raketen, betrieben von den sowjetischen Streitkräften.
Auf Basis eines Regierungsabkommens zwischen der DDR und der Sowjetunion aus dem Jahr 1965 verpflichtete sich die DDR, zwei Objekte zur Lagerung genannter „Apparaturen“ (in den Dokumenten des MfNV werden die Gefechtsköpfe stets als solche bezeichnet) auf Basis eines sowjetischen Typenprojektes zu errichten. Das Abkommen war als Antwort auf die eingeführte nukleare Teilhabe der Bundeswehr in Westdeutschland zu sehen.2 Die in den beiden Objekten eingelagerten Gefechtsköpfe sollten im Ernstfall an die NVA Raketenbrigaden, dann als Teile der 3. und 5. Armee der Vereinten Streitkräfte auf dem Westlichen Kriegsschauplatz, ausgegeben werden. Dementsprechend war von Seite der DDR auch die Finanzierung und Bauausführung sicher zu stellen.
Zur Ausarbeitung der beiden Projekte wurde eine deutsch-sowjetische Kommission gebildet. Genaue Kenntnis zur Lage, zum Aufbau und der Funktion der beiden Lager hatten laut Quelle 2 insgesamt 13 Personen auf deutscher Seite, dazu gehörten unter anderem Walter Ulbricht, Erich Honecker, Erich Mielke und Armeegeneral Heinz Hoffmann. Es wurden zwei Standorte für die zu errichtenden Objekte seitens der Kommission in Betracht gezogen, weitere zwei dienten im Bedarfsfall (beispielsweise unerwartete Probleme beim Baugrund etc.) als Reservestandorte3:
Als Hauptstandorte:
Standort Welsickendorf (nördlich Stolzenhain)
Standort Lychen
Als Standortreserve:
Standort Schwarzenburg
Standort Lieberose
Bewertet wurde für die vier Standorte unter anderem die verkehrstechnische Lage, so sollte eine Fernstraße und ein Bahnhof mit Verlademöglichkeit in der Nähe vorhanden sein. Weiter spielten die Erschließungskosten und die Geländebeschaffenheit eine Rolle. Letztendlich wurden von der Kommission die Standorte Lychen und Stolzenhain empfohlen und vom Chef des Hauptstabes auch bestätigt.
Vorab zur Objektbezeichnung: Im Netz und in der Literatur werden für die beiden Lager Lychen und Stolzenhain die unterschiedlichsten Bezeichnungen verwendet. Aus Dokumenten des Bundesarchivs, Abteilung Militärarchiv (BA MA) und auch bestätigt durch den ehemaligen Chef Militärbauwesen und Unterbringung des MfNV2
wurden folgende Bezeichnungen während der Projektierungs- und Bauphase genutzt:
- Die Bezeichnung EPS-2 (Standort Stolzenhain) und EPS-7 (Standort Lychen) im Rahmen der Projektierung seitens des MfNV, das Kürzel EPS steht hierbei für „Elektronische Prüfstation“.
Im Rahmen des Briefverkehres innerhalb des MfNV sollte der Tarnname „Fichte“ und danach die EPS Bezeichnung als Codewort benutzt werden.1
- Die Bezeichnung Objekt 4001 „Süd“ (Stolzenhain) und Objekt 4001 „Nord“ (Lychen) im Rahmen der deutsch-sowjetischen Kommission, diese Bezeichnung wurde auch im Abnahmeprotokoll und im Übergabeprotokoll verwendet.
- In der Kommunikation zwischen der deutschen und der sowjetischen Seite wurde teilweise auch die Bezeichnung „Objekt 4001“ beziehungsweise „Objekt 02374“4 als Tarnname für das Gesamtvorhaben (also beide Standorte zusammen betrachtet) verwendet.
- Von ehemaligen sowjetischen, im Objekt Gedienten wird oft die Feldpostnummer als Objektbezeichnung verwendet: „Objekt 73274“ für den Standort Stolzenhain.
- Die Vorhabennummer des MfNV für die Investition lautete 16/002.
Die Vorgabe für beide Standorte seitens der Sowjetunion waren identisch: Das auf Basis des Befehls 5/67 des Ministers für Nationale Verteidigung der DDR im Zeitraum vom 15.7.1967 bis zum 31.10.1968 errichtete Objekt wurde rechteckig auf etwa 30 ha angelegt und in eine vorgelagerte Wirtschaftszone und eine Technische Zone geteilt. In der Wirtschaftszone war laut Technisch-ökonomischer Zielstellung eine Kapazität für 135 Personen zu schaffen. Laut Abnahmeprotokoll5 umfasste die Wirtschaftszone unter anderem ein kombiniertes Stabs −und Unterkunftsgebäude, ein Klubgebäude, ein Heizhaus, eine Tankstelle, Geschlossene und offene Garagen Typ G18 für Ural beziehungsweise ZIL LKW und zwei Wohngebäude. Die Wirtschaftszone wurde nach Fertigstellung von den Sowjetischen Streitkräften in Eigenleistung erweitert, unter anderem wurde am Standort Stolzenhain ein Schwimmbad errichtet.
Bebauungsplan auf Grundlage der TöZ, einige Bauten wie die Garagen wurden bei Ausführung etwas geändert (Zoom mit Mausrad, verschieben mit linker Maustaste)
In der technischen Zone befanden sich neben den zwei Lagerbunkern noch zwei Munitionshäuser und eine zentrale Wache. Gesichert wurde die technische Zone durch einen 200 m breiten Schutzstreifen zwischen innerer und äußerer Umzäunung und einer Signalanlage vom Typ ES-10. Die komplette Projektierung der Wirtschaftszone erfolgte durch das MfNV eigene Projektierungsbüro Süd Dresden (PBS). Die Lagerbunker in der technischen Zone wurden auf Grundlage des dem PBS komplett vorliegenden sowjetischen Typenprojektes T-7 örtlich und in Hinblick von zu verbauender DDR Technik angepasst. Auch in der technischen Zone wurden später durch die sowjetischen Kräfte bauliche Erweiterungen vorgenommen, neben Verteidigungsanlagen gehörten dazu auch Kleinbunker (unter anderem Typ KWS-A) und ein Tunnel, mittels dem man die technische Zone gedeckt vom Keller des Stabsgebäudes betreten konnte.
Die Abnahme des gesamten Objektes bei Stolzenhain und der betriebsbereiten Bunker durch die Kommission erfolgte am 6.11.1968, hierzu wurde auf dem Befehl Nr. 124/68 des Ministers für Nationale Verteidigung eine Abnahmekommission gebildet. Die Kommission bestand aus 8 Personen von deutscher Seite, davon ein Angehöriger des PBS. Von der sowjetischen Seite gehörten 11 Personen dazu. Die Kommission überprüfte eine Woche lang sämtliche baulichen Anlagen sowohl der Wirtschafts- als auch der Technischen Zone. Die übergabe an Vertreter des Verteidigungsministeriums der UdSSR als Nutzer geschah nach Beseitigung diverser kleinerer Mängel am 28.11.19687. Das Objekt verblieb in Rechtsträgerschaft des Ministeriums für Nationale Verteidigung der DDR, die Nutzung und Wartung erfolgte ab diesem Tag nur noch ausschließlich durch sowjetische Kräfte. Die gesamten Kosten für das Objekt beliefen sich für die DDR auf etwa 18,6 Millionen Mark6.
Entgegen anderslautender Darstellungen wurden die beiden Lagerbunker laut den Abnahme −und Übergabeprotokollen und auch durch Quelle 2 bestätigt, komplett vom Pionierbaubataillon-4 der NVA mit Hilfe sowjetischer Spezialisten errichtet, technisch ausgestattet und auch möbliert. Einige Ausstattungsgegenstände wie beispielsweise die Handschuhboxen in den radiologischen Laboren wurden speziell von DDR Betrieben gefertigt, der Einsatzzweck blieb den Herstellern natürlich verborgen. Auch der Probebetrieb erfolgte gemeinsam mit den sowjetischen Spezialisten.
Über die Handhabung, Anzahl usw. des Lagergutes soll hier nicht spekuliert werden. Aus der Technisch-ökonomischer Zielstellung geht hervor, dass die „Apparaturen“ inkomplett auf Spezialwagen niedergezurrt in den Lagerkammern ruhten und bei Bedarf händisch bewegt wurden. Anhand der im genannten Dokument aufgeführten Akkutypen für Sprengköpfe, welche die Akkuladestation laden konnte, ist außerdem ersichtlich, dass die Bunker zur Lagerung von unterschiedlichen Typen von Gefechtsköpfen vorgesehen waren. Außerdem werden die beiden Arbeitsplätze in der zentralen Halle als Arbeitsplätze zur Durchführung von Reparaturarbeiten, Komplettierung und Endfertigung erwähnt.
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